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Anna #1: Die Legende von der gleichen Rollenverteilung

Oktober 23, 2017

Anna Behrla | Schauspielerin, Autorin und Historikerin in spe | niemals weit von einer Kaffeemaschine entfernt •

Ein Ruck geht durch die Reihen. Die Casting-Couch ist Realität! Harvey Weinstein hat Schauspielerinnen Rollen für sexuelle Gefälligkeiten gegeben, Journalistinnen sexuell belästigt und angeblich sogar vergewaltigt.
Zum ersten Mal hörte ich davon live im Jahr 2006, als ich in New York die Schauspielschule besuchte und eine meiner Kommilitoninnen den mächtigen Mann kennengelernt hatte.
Wir taten es ab, so ist das eben, muss man durch, wenn man das will.
Heute ist der #Aufschrei groß, berühmte Person nach berühmter Person hat etwas dazu zu sagen, eine Geschichte schlimmer als die nächste. Matt Damon gibt ein Interview, das das Äquivalent eines Achselzuckens ist.

Latente Misogynie findet jedoch nicht nur im Beruf statt und auch nicht nur auf sexueller Ebene.

Die Schauspielerei hängt für mich seit einiger Zeit am Nagel, umso größer ist jedoch mein Interesse am Feminismus (beziehungsweise am kompletten Mangel dessen) im Alltag geworden. Die Beschäftigung mit Diskriminierung, Gender-Problemen und Ungleichbehandlung lässt sich – spätestens seit ich Kinder habe – überhaupt nicht mehr vermeiden.

Denn, und das hätte ich vor ein paar Jahren niemals geglaubt, selbst in meinem wunderbaren Mann steckt ein Chauvi. Und in so ziemlich jedem Mann meiner Freundinnen auch.
Es zeigt sich in der familiären Rollenverteilung, die so gut wie nie ausgeglichen ist, auch wenn der Mann nicht der Alleinverdiener ist. Der gesamte Teil, den die Amerikaner treffend mit „emotional labour“ bezeichnen, bleibt an den Frauen hängen – egal ob sie dabei auch Vollzeit arbeiten.
Immer wieder stelle ich frustriert fest, dass es kaum möglich ist, dieses Thema auch nur in Worte zu fassen. Aber es existiert, Frauen und Mütter überall nicken sich wissend zu, ja es gibt sogar den Sketch vom magischen Ikea Tisch, der immer alles von allein aufräumt.
Aber sind die Männer da wirklich schuld? Oder die Mütter der Männer? Oder wir Frauen selber? Oder mache ich gerade etwas sehr frauen-typisches und versuche, das Verhalten anderer zu entschuldigen?

Nun ist es so, dass in den meisten Artikeln, die sich mit dieser Problematik auseinandersetzen, sehr absolutistisch damit umgegangen wird. „Wir sind keine Sexobjekte! Wir sind keine Küchengeräte! Wir lassen uns das nicht gefallen!“ Das ist im Prinzip ja auch eine prima Sache, für eine Generation, die anders erzogen ist, als wir – die aber leider solche Artikel noch nicht lesen kann.

Was aber, wenn sich das Ganze erst in einer sonst gut funktionierenden Beziehung oder gar Ehe entwickelt? Es kann doch niemand wirklich für klug halten, eine Familie auseinander zu reißen, weil der Mann ein paar aus weiblicher Position fehlgeleitete Ansichten hat. Und doch sehe ich mich täglich damit konfrontiert, wie es mich wütend macht, zu einem Grad an dem ich eigentlich nur noch schnaubend den Raum verlassen kann.
Ob es nun die Erwartung ist, dass man doch, wenn man mit einem kleinen Kind zu Hause ist, nebenbei noch schnell Ablage machen, sämtliche Wäsche waschen, falten und einräumen, sich gesunde aber sättigende Mittagessen ausdenken und mal eben staubsaugen und wischen kann; oder der Grundgedanke, dass der Mann ja für die Arbeit mehr Schlaf braucht als die Frau für den Tag mit dem Kind – man findet es nicht heraus, bevor man nicht selber in der Situation steckt.
Wie viel hilft „So läuft’s nicht Freundchen!“, wenn dem Gegenüber völlig unbewusst ist, dass das was er tut, bestenfalls nicht sehr partnerschaftlich, schlechtestenfalls Misogynie ist?
Schließlich wurde ihnen genau das in den meisten Fällen ja von den Eltern so vorgelebt – nur dass da häufig der Mann der breadwinner war. Nicht zu vergessen, dass bis Mitte der 70er Jahre ein Mann den Beruf seiner Frau kündigen konnte, wenn diese seinen Ansprüchen in Ehe und Haushalt nicht gerecht wurde.

Es besteht also ein Grundgefühl, Mann hätte einen Anspruch auf alles Mögliche, den Frau a) entweder nicht hat oder b) sich mit Freude klemmt.
Aber wie genau bringt man seinen Partner dazu, sich mit dieser Thematik auseinanderzusetzen?* Was ist mit der Arbeit, die nun mal getan werden muss?

So ein kleines Kind verhungert halt auch mal schnell, wenn es keiner füttert, die Wäsche fängt an zu stinken, wenn sie zu lang in der Maschine liegen bleibt.

In diesem Moment übernehmen Frauen oft missmutig die Verantwortung, denn natürlich geht das Kindeswohl über die eigenen Bedürfnisse und stinkende Wäsche kann nun wirklich niemand aushalten … außer … den Männern?

Wie macht man diese Ungleichheit in einer Beziehung sichtbar, ohne sich zu entfremden? Es fehlt ganz offensichtlich an Verständnis, was allerdings nicht nur am „nicht verstehen wollen“ der Männer liegt, sondern an mangelnder Sensibilisierung. Unbewusst spielen auch wir eine Rolle darin, dass es diese nicht gibt – allein die Angst, der Mann könne sich vor den Kopf gestoßen fühlen, stellt ein Hindernis dar. Tatsächlich sind wir Frauen selber so hirngewaschen, dass wir die Herausforderungen, die ein Familienleben bringt, als klein betrachten – uns entschuldigen, wenn es mal nicht ordentlich ist oder das Abendessen eben nur eine Stulle ist.

Momentan ist das einzige, was mir dazu einfällt: vielleicht mal aufhören, sich zu entschuldigen und Dinge so selbstverständlich und achselzuckend liegenlassen wie so mancher Mann.**

Also, ciao!

P.S:
*Falls jemand hier (immer noch) auf eine Antwort hofft: ich habe keine! (Allerdings noch viele, viele weitere Fragen.)
** #notallmen

 

Foto: privat

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